Das geheime Wissen hinter deiner Unzufriedenheit
Was bisher geschah: Letztes Jahr habe ich dir vom Ankunftsfehler erzählt, dem Irrglauben, dass wenn du erstmal an einem bestimmten Punkt angekommen bist, sich dann die Dinge positiv ändern werden. Im Artikel “Neues Jahr, Neues Ich = Noch mehr Stress” teile ich 5 Übungen mit dir, wie du den Ankunftsfehler vermeiden kannst.
Dieses Jahr möchte ich mich auf einen anderen Aspekt vertiefen. Und ich muss ehrlich sagen, das ist eine Sache, mit der ich persönlich auch hadere.
Dieses Jahr geht es um Unzufriedenheit. Aber das ist erst der Anfang.
“Unzufriedenheit kann süchtig machen”
2022 war kein erfolgreiches Jahr für mich. Ich bin in der zweiten Hälfte des Jahres in ein tiefes emotionales Loch gefallen. Zuerst dachte ich, es wäre eine saisonal affektive Störung [zu der ich bereits den Artikel “Nur Herbstblues oder doch was Ernsteres?” geschrieben habe]. Es wurde auch besser mit Lichttherapie und mehr Bewegung. Aber die Ursache war eine ganz andere. Ich war unzufrieden. Unzufrieden mit mir selbst, unzufrieden mit Larger Living, unzufrieden mit der Inflation, die mich einige Klient*innen gekostet und mich gezwungen hat, einen Nebenjob anzunehmen. Ich hatte das Gefühl, dass es nirgendwo in meinem Leben vorran geht und ich gab mir selbst die Schuld daran.
Kommt dir sicherlich bekannt vor, oder?
WICHTIG: Mit Unzufriedenheit meine ich NICHT akute Krisen oder Traumata. Es ging mir in 2022 zwar nicht gut, aber ich war nicht in Gefahr. Ich wusste: “so wie es jetzt läuft, macht mich das nicht glücklich und ich will nicht, dass es so weitergeht.” Aber was jetzt? Die Wahrheit ist bzw. war, dass ich noch nicht bereit war, an dem “Was jetzt?” zu arbeiten. Ich wollte mich lieber in Selbstmitleid suhlen und Ressourcen und Zuwendung bekommen. Ich wollte nörgeln. An sich ist das erstmal völlig okay, aber ich kam aus dem Nörgeln nicht wieder heraus. Und genau da liegt das Problem, was wir sicherlich alle kennen: Unzufriedenheit kann nämlich süchtig machen.
Wir sind quasi die kulturelle Geburtsstätte der modernen Karen.
Deutschland (aber auch Österreich und die Schweiz) ist bekannt für den Kult der Unzufriedenheit. Wir sind quasi die kulturelle Geburtsstätte der modernen Karen. Wenn es eine Olympiade der Unzufriedenheit geben würde, würde Deutschland ganz sicher jedes Mal Gold holen. Natürlich ist das ein klein wenig Satire mit einem Augenzwinkern a la Loriot. Aber wir alle können die deutsche Unzufriedenheit live miterleben bei Beschwerden und Reklamationen sobald etwas nicht 100%ig perfekt ist mit der Begründung “ich hab dafür bezahlt”. Dieses Verhalten begegnet uns im Einzelhandel, Restaurant oder Urlaub. Was ist die Königsdisziplin der kulturellen Unzufriedenheits-Sucht? das Suchen nach einem günstigeren Angebot direkt nachdem du etwas gekauft hast. Ich wette, wir kennen alle eine Person, die das macht oder haben es gar selbst schon mal getan. Das alles kultiviert deine Unzufriedenheit.
Insbesondere Nörgeln kann im ersten Moment sehr befreiend wirken. Mal den ganzen Frust rauslassen und sagen wie scheiße doch alles ist, kann ein willkommenes bisschen Realität in dein Leben bringen, wenn du ansonsten in einer toxisch positiven good vibes only Blase bist.
Aber was ist Unzufriedenheit eigentlich?
Unzufriedenheit bedeutet, dass die Situation, so wie sie ist, nicht (mehr) passt. Doch oftmals wissen wir zunächst gar nicht, was überhaupt das nicht-passende Element dabei ist. Wir erleben sog. kognitive Dissonanz. Ein Zustand unvereinbarer Gedanken und Empfindungen, der enormen Stress auslöst, weil das eine nicht zu dem anderen passt. Alles was wir tun können, ist in unserer Verwirrung zu fühlen. Und fühlen tun wir uns schlecht…
“Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.” – Loriot
“Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.” Dieses berühmte Zitat vom Humorist Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, drückt das unangenehme Gefühl hinter Unzufriedenheit am besten aus. Alles ist einfach nur wääh.
Du bist genau da, wo du sein sollst
Was ich dir jetzt sagen werde, wird im ersten Augenblick merkwürdig klingen. Aber du bist in diesen Momenten genau da, wo du sein sollst.
Wie bitte?!?
Lass es mich erklären:
Der Hauptgrund hinter deiner Unzufriedenheit ist, dass du den Punkt, an dem du jetzt gerade bist, nicht wertschätzt.
Dabei ist es egal, an welchem Punkt du gerade stehst. Du verbringst die ganze Zeit damit, deine Erfolge schlecht zu reden. Das sieht dann etwa so aus…
- …ich tue nicht genug
- …alle Anderen sind schneller/ erfolgreicher/ reicher/ glücklicher als ich. Ich hinke immer hinterher
- …das geht mir alles nicht schnell genug
- …ich bin überfordert/ erschöpft
Du fühlst dich frustriert. Die Gefühle hinter diesem Frust bzw. hinter diesen Aussagen, beeinflussen dann deine Gedanken.
Der Psychologe Dr. Rolf Merkle nennt das Gefühls-Denken. Das ist, wenn wir uns von unseren Gefühlen leiten lassen, ohne sie in Frage zu stellen und diese dann automatisch in Gedanken oder gar Überzeugungen verwandeln. Nach dem Prinzip “Ich fühle mich schlecht, also bin ich auch schlecht.” Du fällst ins Mangel-Mindset. [Artikel “Lebst du im Mangel-Mindset?”]
“Du bist nicht deine Gefühle”
Die Wahrheit ist, dass du nicht deine Gefühle bist. Zumindest nicht in diesem Moment. Denn die Gefühle, die du in den Momenten der Unzufriedenheit fühlst, sind Gefühle, die eigentlich in eine andere Zeit gehören. Im oben erwähnten Artikel ist eine Übung, die es dir ermöglicht, besser mit diesen zeitreisenden Gefühlen umzugehen.
“Was würde passieren, wenn du in genau diesen Momenten der Unzufriedenheit innehalten und etwas an deiner aktuellen Situation wertschätzen würdest?”
Lass mich dir eine Frage stellen, die du dir mit Sicherheit in solchen Momenten nie gestellt hast: Was würde passieren, wenn du in genau diesen wääh-Momenten innehalten würdest und etwas an deiner aktuellen Situation wertschätzt? [Zur Erinnerung: ich rede nicht von akuten Krisen oder Traumata, sondern von der privilegierten Unzufriedenheit. Bei akuten Krisen brauchst du etwas ganz anderes]. Dann wäre die Situation nicht mehr nur wääh. Durch die simple Frage “Was ist gerade nicht wääh?” rückst du deinen Fokus auf die Dinge, die du bereits hast, anstatt dem hinterher zu rennen, was du (noch) nicht hast.
Hast du das kleine “noch” bemerkt? Das ist Teil einer Mini-Max Intervention (Hier gibt es mehr davon). Denn du kannst durchaus unzufrieden sein UND gleichzeitig etwas verändern. Genauso wie du unzufrieden sein kannst UND deine aktuelle Situation wertschätzen kannst. Das einzige, was sich bei letzterem ändert, ist die Qualität der Unzufriedenheit und genau hier liegt der Schlüssel
Der Witz ist nämlich nicht die Unzufriedenheit möglichst schnell loszuwerden bzw. das unangenehme wääh-Gefühl weg zu schieben. Du glaubst mir nicht? Hier sind zwei sehr wichtige Gründe das nicht zu tun.
Grund Nr. 1: Beim Wegschieben von unangenehmen Gefühlen wie z. B Unzufriedenheit, würdest du Gefühle unterdrücken, was langfristig nur zu mehr Unzufriedenheit führt. Denn die Gefühle Bahnen sich den Weg zurück an die Oberfläche und tauchen unerwartet am anderer Stelle wieder auf. Du regst dich über etwas vermeintlich Kleines haltlos auf. Jupp, das ist die Unzufriedenheit von neulich, die an deine mentale Tür klopft und sagt “du hast mich neulich ignoriert. Das war nicht sehr nett von dir. Jetzt bin ich wieder da und zwar mit doppelter Kraft. Ätsch.”
Grund Nr. 2: Unzufriedenheit ist ein Schlüssel zu Zufriedenheit. Wenn du sie ignorierst, nimmst du dir damit gleichzeitig wichtige Anhaltspunkte, um zufriedener zu werden. Denk mal drüber nach: Wenn du genau weißt, was du nicht willst, kannst daraus genau das, was du wirklich willst, ableiten.
Was ich damit sagen will ist, dass es sich lohnt, der Unzufriedenheit zuzuhören, aber dabei die realistischen von den unrealistischen Wünschen zu unterscheiden.
Person ist enttäuscht und unzufrieden und das jedes Mal!
Wenn Menschen Motivations Kollagen oder Vision Boards machen in der Absicht sich ihr Glück herbei zu manifestieren, sehe ich immer dieselben Bilder:
- Großes Strandhaus
- Dickes Auto
- Im Bikini mit nem Cocktail in der Hand am Strand
- Berge an Geld
Versteh mich nicht falsch, Ziele zu haben ist nichts Schlechtes. Aber was passiert wohl, wenn diese Person ständig auf dieses Vision Board schaut? Richtig! Person ist enttäuscht und unzufrieden und das jedes Mal!
Was ist dann also die Lösung?
Alle diese Wünsche sind riesige Pläne, die sich nicht an einem Tag umsetzen lassen. Anstatt dich auf diese 10-Jahres Pläne zu fokussieren, konzentriere dich darauf was du heute im Laufe des Tages verändern kannst, um diesen Tag verbessern zu können.
Wie kann so etwas aussehen?
Nachdem du aufstehst, atme ein Mal tief durch und frage dich: Was könnte den heutigen Tag besser für mich machen? Dabei ist es egal was es ist.
- Eine bewusste 5 Minuten Trinkpause auf der Arbeit einzulegen
- Abends etwas leckeres zu kochen/ essen auf das du schon seit Wochen Lust hast
- Ein Bad zu nehmen und zu entspannen
- Eine Massage zu buchen
- Dich mit einem lieben Menschen verabreden
- Dir Zeit zu nehmen, ein Buch zu lesen oder deine Lieblings Serie nochmal zu schauen.
- Abends etwas früher ins Bett zu gehen
Du siehst: Ganz viele dieser Ziele kosten dich überhaupt nichts! Sie haben aber das, Potenzial deinen Tag besser zu machen.
Natürlich kannst du immer noch die Strandvilla und das dicke Auto wollen und die Pläne dafür im Hinterkopf behalten. Aber du wirst deine Pläne anders angehen, wenn du aus dem Mangel-Mindset heraus denkst, als wenn du für den heutigen Tag eine Selbstfürsorge-Intention gesetzt hast.
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Fette Grüße,
Dot
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